Können Tiere uns aus der Isolation heraus holen?
Schutzmauern die nicht schützen
Warum wir uns schleichend Stein für Stein verbarrikadieren
Wir alle erleben Enttäuschung und Verletzung auf unserem Lebensweg. Oft bereits von klein auf – wir werden verlassen, zurückgewiesen, verurteilt oder verspottet für das, was wir sind oder wie wir uns fühlen. Wenn wir den Erwartungen unserer Eltern nicht entsprechen oder nicht in das perfekte Bild einer Gesellschaft hineinpassen, werden wir bewertet. Oder wir werden von der Liebe unseres Lebens erschüttert, da sie –umgekehrt – unseren Erwartungen nicht entspricht.
Auch lernten wir von klein auf, dass es sich nicht gehört, Gefühle oder Schwäche zu zeigen – uns wurde vorgelebt uns nicht so zu zeigen, wie wir tief im Inneren wirklich sind. Wir lernten uns hinter einer Fassade zu verbergen. Und diese Fassade wurde Stein für Stein zu einer dichten Mauer; mit jeder Verletzung wurde sie – vollkommen still und leise – höher und fester. Und nicht nur das – sie wurde auch gefühlt, schöner und schöner. Allmählich hat sie Verzierungen bekommen. Wir trugen sie immer mehr mit Stolz. Wir glaubten fatalerweise, dass wir durch sie schöner und stärker geworden sind. Doch was diese Barrikade wirklich tut, ist, dass sie unsere wahrhaftige Schönheit hinter ihrem trügerischem Antlitz verbirgt.
Warum tun wir das?
Sicherlich geschieht dies größtenteils unbewusst – wir versuchen uns vor den argwöhnischen Blicken und Bewertungen unserer Gesellschaft zu schützen und wir wollen uns vor noch mehr Verletzung, Entblößung, Schmerz und überwältigenden Gefühlen bewahren. Wir schneiden unsere Gefühle ab und sperren sie weit hinter den Mauern ein. Manchmal haben wir sogar selbst Angst vor unseren eigenen Emotionen und manchmal platzen sie auf wie ein Vulkan der plötzlich ausbricht.
Jedoch lösen sich diese abgeschnittenen Anteile nicht von selbst auf, sie sind immer noch da, immer noch Teil von uns und sie warten in uns unermüdlich und unruhig darauf, befreit zu werden.
Ich hole sogar noch weiter aus – diese Anteile wirken wie Magnete: Sie ziehen Menschen und Situationen in unser Leben, die diese Gefühle immer wieder triggern und spiegeln. So verschaffen sie sich Gehör und machen auf sich aufmerksam. All das mit nur einem einzigen Wunsch: Erlöst zu werden. Sie sind wie Kinder, Schattenkinder, verlassen und weggesperrt, tief in deiner Brust, wimmernd.
Menschliche Mauern haben ein Eigenleben
Ich selbst kenne diese Zustände allzu gut und habe im Laufe meines Lebens eine riesige Mauer um mein Herz gelegt. Schleichend wurde sie immer dicker und dicker und hat sich total verselbstständigt. Auch heute noch ertappe ich sie manchmal dabei, wie sie meine Brust plötzlich wieder umarmen- und meine Gefühle versteinern will. Du musst wissen, Mauern sind clever und entwickeln mit der Zeit ein Eigenleben. Meine wurde so groß, dass ich mich fast 10 Jahre lang auf keine Partnerschaft mehr eingelassen habe. Durch diese enorme Barrikade habe ich mich sicher gefühlt, so konnte mir nichts allzu Schlimmes mehr passieren. Ich wollte auf meine Mitmenschen stark und unabhängig wirken und unantastbar. Und vor allem wollte ich meine Schattenanteile in mir zu keinem Preis offenbaren – die Gefahr verlassen zu werden, war – in meinem Kopf – wohl zu präsent und groß.
Wir glauben also, dass wir geschützt sind, wenn wir diese Panzer um unser Herz legen. Wir glauben also unverletzbar zu sein, wenn wir diese Schutzwesten tragen, wenn wir uns zusammenreißen und uns so verhalten, wie man es von uns erwartet.
Hast du dich jemals gefragt ob das wirklich die richtige Methode ist?
Der Schein trügt – was die scheinbar kostbare Festung wirklich mit uns macht
Jeder der schon einmal länger mit einer Festung um sein Herz gelebt hat, weiß dass sich das Leben mit ihr an der Seite nicht unbedingt schön anfühlt. Wir spalten uns von unserem wahren Sein ab und spielen eine Rolle. Wir maskieren uns und können unser ganzes Sein nicht zum Ausdruck bringen. Wir fühlen vielleicht auch eine Enge in der Brust, weil wir unsere Emotionen zusammenhalten- und zusammenziehen müssen und eine Enge im Hals, weil die Brücke zwischen unserer inneren Realität und unserer äußeren Realität versperrt ist. Es entsteht Disharmonie in Körper, Geist und Seele. Es entsteht eine Kluft zwischen unserem wahren Sein und der Welt da draußen. Es entsteht Trennung.
Unsere Schutzmauern schützen uns exakt vor dem Leben, nach dem wir uns sehnen
Was die Mauer also wirklich mit uns macht, ist genau das Gegenteil, von dem was wir uns wünschen und nach dem wir uns sehnen.
Sie trennt uns ab vom Leben, sie schafft Distanz und löst Verbindungen auf. Echte Nähe und ein intimes und wahrhaftiges Sich-Begegnen in authentischer und tiefster Wahrheit wird immer schwieriger. Wir stoßen uns sogar selbst ab von den Menschen, von denen wir uns Nähe wünschen, wenn wir uns nicht authentisch zeigen können.
Wir erfreuen uns an Spielchen wie die Kinder, finden es mitunter sogar lustig, Verstecken zu spielen und glauben dabei clever und stark zu sein,
jedoch merken wir dabei nicht, wie diese Taktik uns zum Verhängnis wird: Wir verlieren Verbundenheit zu uns selbst und zu unserer Umwelt, wir opfern tiefe Herzverbindungen zum Preis unserer Angst. Wir können uns nicht auf einer Herzebene begegnen, denn das Herz ist umringt von schweren Schutzsteinen.
Wir werden kollektiv zu kleinen Igeln.
Igel sind hervorragende Beispiele für diesen Schutzmechanismus. Igel jedoch reagieren auf gesunde Weise aus ihren Instinkten heraus, in Momenten der lebensgefährlichen Bedrohung, da sie sich nicht anderweitig oder körperlich wehren können. Sie schützen nicht ihr Herz sondern ihre Existenz. Wir Menschen jedoch sind längst nicht mehr solch existenziellen Gefahren ausgesetzt, die unser Überleben fordern oder uns in körperliche Not bringen. Nein, wir leben sogar relativ sicher heutzutage. Und schützen wollen wir in erster Linie unser Herz. Auch wenn der tiefere, subtilere Grund dieser Schutzmechanismen vielleicht sogar etwas mit Existenzangst zu tun haben könnte.
Jedoch was bedeutend ist: Unser Herz ist in Wahrheit so kraftvoll, dass es all die Schmerzen tragen und sogar transformieren kann. Es stirbt oder zerbricht nie – nein, es gewinnt dadurch sogar noch mehr an Stärke.
Wie wir Schritt für Schritt unsere Mauern einbrechen und unsere unterdrückten Gefühle aus der Gefangenschaft holen
Wenn wir also jetzt wissen, dass Schutzmauern unsere Herzen verschließen und es lediglich unser Wunschleben ist, vor dem sie uns bewahren, wie können wir also diese Mauern zum Einsturz bringen?
Die Antwort ist: gar nicht! Wir können und dürfen unsere Mauern auf keinen Fall einstürzen. Unsere Mauern sind intelligente Schutzmechanismen, die uns als Kleinkinder geschützt haben, als wir noch abhängig waren. Wir können diese Mauern nur mit einem hohen Grad an liebevoller Achtsamkeit langsam und sehr behutsam Stein für Stein abbauen. Dies ist je nach Größe der Mauer ein langer Prozess und bedarf eventuell sogar einer Unterstützung durch einen erfahrenen Begleiter. Wir laufen sonst Gefahr, von den dahinter verborgenen Gefühlen und verwahrlosten Anteilen überwältigt zu werden. In dem Prozess des sich Öffnens und der Integration der versteckten Schattenkinder in uns geht es hauptsächlich um das vollständige Fühlen der alten Emotionen. So können diese unruhigen Anteile in uns erst einmal behutsam gesehen werden. Es ist wie als würde ein Anteil aus einer jahrelangen Höhle nach Jahrzehnten das erste Mal wieder ans Tageslicht geführt – dies kann nicht plötzlich-, sondern muss ganz langsam geschehen, damit der Anteil sich erst einmal an das Licht gewöhnen kann. Hat das Gefühl dann ausreichend Zeit gehabt, Sonne zu tanken, dehnen wir es aus, damit wir es aus seiner Kontraktion, seiner Enge, befreien und es sich somit auflösen kann.
Herzerwachen.earth – Für eine neue Erde
*Alle Artikel und Texte sind reflektiert und geschrieben von mir – einem Menschen.
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